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Reise Marokko 2020
Es gibt immer viele Gründe, um sich ein paar Tage Marokko zu gönnen ... dieses Mal aber bin ich zusammen mit meiner Praktikantin Vanessa und unserer ehemaligen Praktikantin Jana nach Meknès geflogen, um unsere neuen Pferde auszuwählen und ein bisschen kennen zu lernen. Aber wie immer ... zuerst einen Tag Urlaub im wunderschönen Essaouira. Hier unser Reisebericht ...

Freitag, 13. März 2020
Unser Flieger hebt um 06h30 in Basel ab ... Zum Glück fährt uns mein Mann Urs mitten in der Nacht zum Flughafen. Der Flieger hebt pünktlich ab und wir kommen noch vor 10h00 am Flughafen Menara in Marrakesch an. Kaum ausgestiegen, können wir auch schon unser Gepäck in Empfang nehmen (ging auch schon mal länger). Also sind wir quasi eine Stunde zu früh dran, denn ich habe das Auto erst auf 12h00 gebucht. Als ich versuche, unser Fahrzeug schon etwas früher zu bekommen, merke ich, dass ich jetzt in Marokko bin ... die auf dem Vertrag angegebene Nummer ist dauerbesetzt! Keine Chance, jemanden ans Telefon zu kriegen und auch die auf dem Vertrag vermerkte Autovermietung scheint hier keiner zu kennen. So ein Mist! Knapp vor 12h00 und nachdem wir bereits alle Autovermietungen sowie alle Tafeln hochhaltenden Menschen am Flughafen abgeklappert haben, sehe ich einen Mann mit gelber *Autovermietungs*-Weste. Ich frage ihn nach der PaylessCars-Vermietung auf meinem Vertrag und er antwortet mir - so als ob das doch jeder wissen müsste - dass dies eine Unterfirma von AVIS sei ... Vielen Dank! Kurz darauf haben wir unser Fahrzeug und können unsere etwa 2,5 stündige Fahrt nach Essaouira beginnen.

Da Vanessa den ganzen Winter mit mir im Stall gearbeitet hat, nie ausfiel und sich trotz Personalmangel nie beklagte, wollte ich ihr und Jana, die uns regelmässig ausgeholfen hatte, einen Tag Urlaub in Essaouira schenken. Also nichts wie los ...

Schnell haben wir die verkehrsreiche Stadt Marrakesch hinter uns gelassen und fahren bei schönstem Sonnenschein in Richtung Süden ... vorbei an wunderschönen Landschaften und natürlich den berühmten Ziegen auf den Arganbäumen, die man hier überall am Strassenrand bestaunen kann. Die Ziegen sind wirklich sehr geschickt ... sie fressen, spielen und schlafen auf den Bäumen.




Natürlich achte ich bei all der Schönheit rund um mich herum nicht wirklich auf meine Geschwindigkeit und so kommt es, dass ich - kaum ein paar Stunden in Marokko - bereits Kontakt mit der Gendarmerie habe ... 14 km/h zu schnell! Da nützt kein nettes Lächeln, kein *es tut mir leid* ... es kostet 150 MAD, also etwa 15 Euro. Naja ... die Polizisten entschuldigen sich noch etwa 20 Mal, ermahnen mich ebenso häufig, vorsichtig auf den marokkanischen Strassen zu sein und lassen uns dann endlich weiterfahren. Um etwa 15h00 kommen wir dann endlich in Essaouira an.

Mittlerweile sind wir so richtig hungrig. Also schnell in unserem wunderschönen Hotel im maurischen Stil aus dem 18. Jahrhundert einchecken und dann ab in die Medina, um unsere Bäuche mit leckerem Essen zu füllen!






Nachdem wir die mindestens 100 Stufen in unser wunderschönes Zimmer geschafft haben (zum Glück hat uns ein Hotelangestellter die schweren Koffer hochgetragen), gehen wir in die Medina, um etwas Leckeres zu essen. Ich löffle glücklich meine Harira und trinke einen süssen Pfefferminztee! Dann spazieren wir durch die Medina und die Mädels können ihre Einkäufe machen ... Eigentlich wollten wir danach unseren Abend gemütlich im Hotel verbringen, aber wie so häufig kommt alles anders. Jana will Tee für ihre Mutter kaufen und so machen wir beim Tee- und Gewürzladen von Mohammed Halt und lassen uns die ganzen Tees und Gewürze erklären. Und dann kommt es wie es in Marokko so häufig kommt ... zuerst Tee trinken, dann Tee trinken, dann plaudern und anschliessend den Sonnenuntergang mit den beiden Brüdern Mohammed und Nabil am Strand von Diabat mit Sicht auf die Insel Mogador geniessen ... und so weiter, und so weiter ... *smile*.

Unsere verrückte Jana wagt es sogar, ins vermutlich doch eher kalte Meer zu hüpfen. Vanessa fröstelt nur einmal und schon bekommt sie die Djellaba von Mohammed und sieht aus wie eine marokkanische Gemüsehändlerin *grins*. Natürlich müssen wir Fotos machen (die Marokkaner lieben Fotos) und ich fotografiere den prachtvollen Sonnenuntergang.

Als wir nach einem sehr lustigen Abend endlich wieder bei unserem Hotel ankommen, ist es bereits nach Mitternacht ...






Wir sind total erledigt von all den Eindrücken an diesem langen Tag und fallen nach einer erfrischenden Dusche todmüde ins Bett.

Samstag, 14. März 2020
Nach einer erholsamen Nacht in unserem wunderschönen Zimmer wache ich am Morgen sehr früh auf. Schnell nehme ich meine Kamera und steige weitere, keine Ahnung wie viele Stufen hoch, um auf die Dachterrasse zu gelangen. Ich liebe es ... die Stille am Morgen, die Schreie der Möwen, die schlafende Medina ... ich rauche gemütlich eine Zigarette, mache ein paar Fotos und geniesse es zu beobachten, wie das Städtchen langsam zum Leben erwacht.


Um 08h00 wecke ich Jana und Vanessa auf. Anschliessend geniessen wir ein reichhaltiges, marokkanisches Frühstück im Hotel. Wir haben noch Zeit bis Mittag, um nochmals durch die Medina zu schlendern, uns die Befestigungen mit den Kanonen auszuschauen und den Fischerhafen zu besichtigen ... also nichts wie los. Zuerst gehen wir zu den Kanonen und die Mädels geniessen die schöne Aussicht. Die verschlafene Medina am Morgen bietet uns die Möglichkeit, alles in Ruhe anzuschauen und natürlich Geschenke für Ailen, meine Mitarbeiterin zuhause, und unsere Lieben zu kaufen. Zum Schluss gehen wir noch zum Fischerhafen, wo um diese Zeit reges Treiben herrscht und sich Möwen und Katzen um die Fischabfälle streiten ...

Nachdem wir uns noch wie vereinbart von Mohammed verabschiedet haben, machen wir uns auf den Weg zu unserem Auto, denn der Weg nach Meknès dauert etwa 8 Stunden und ich möchte dort ankommen, solange ich noch etwas sehen kann.
Kurz vor 12h00 beladen wir dann unser cooles Auto mit riesigem Kofferraum und machen uns auf den langen Weg nach Meknès. Damit die Mädchen noch etwas von der schönen Landschaft sehen können, entscheiden wir uns auf der Landstrasse in Richtung Safi zu fahren und erst anschliessend die Autobahn Richtung El Jadida, Casablanca und Rabat zu nehmen. Die Landstrasse ist gut befahrbar ... aber vollbeladene, eher spärlich gesicherte Lastwagen, sowie Tiere und Menschen auf der Fahrbahn machen es mir unmöglich, die Landschaft wirklich zu geniessen. Die Mädchen schiessen ein paar Fotos ...

Pünktlich kurz vor 20h00 treffen wir beim Hotel Palace in Meknès ein ... nachdem mich Jana etwa 30 Schreckminuten lang durch die überfüllten Strassen von Meknès navigiert hat. Da muss man dauernd aufpassen, niemanden zu überfahren, beim geringsten Problem wird gehupt und gedrängelt ... ein Riesenspass! Aber alle leben noch und ich freue mich jetzt, Abdel endlich einmal wieder zu treffen! Nachdem wir die Koffer ins Zimmer gebracht haben, treffen wir uns mit Abdel an der Lobby, um noch etwas Kleines zu essen. Wir haben uns lange nicht gesehen, entsprechend viel haben wir einander zu erzählen. Natürlich erhält Abdel auch das Fotobuch mit all den importierten Pferden, welches ich ihm schon lange versprochen habe. Ich staune, dass er sich noch an den Namen jedes Pferdes erinnern kann (es sind beinahe 100 Pferde)! Nach einem leckeren Pfefferminztee gehen wir müde ins Zimmer zurück. Morgen fahren wir mit Abdel zum Souk in Khenifra, wir müssen also früh aus den Federn ...

Sonntag, 15. März 2020
Nach einer für mich nicht so erholsamen Nacht gehts um 07h00 morgens los nach Khenifra. Auf diesem Souk weiss man nie, was man antrifft ... manchmals ist nichts los, aber man findet dort auch immer richtige *Perlen*. Also sind wir gespannt. Die Landschaft ist wunderschön ... alleine dafür lohnt sich die Fahrt nach Khenifra.

Auf dem Souk ist heute nichts los ... ein paar Pferde, einige Maultiere, Kühe, Schafe und Ziegen. Schade! Dafür sind die Galetten und der Minzetee sehr lecker und wir geniessen das Frühstück auf dem Souk. Für Jana und Vanessa ist es der erste Souk und sie sehen Dinge, die bei uns so nicht möglich wären ... zum Beispiel Ziegen auf einem Autodach zu transportieren *grins*.

Nachdem wir Mati getroffen und mit ihm noch ein Fohlen angeschaut haben, machen wir uns wieder auf den Rückweg. Am Mittag gibts Couscous mit Gemüse und Hähnchen bei Abdel's Mutter und anschliessend wollen wir endlich unsere Pferde in der Quarantänestation kennenlernen!
Das Essen ist köstlich und ich glaube, die marokkanischen Frauen kochen immer mindestens die doppelte Menge dessen, was nötig wäre. Also essen wir natürlich viel zu viel ... aber anstatt uns eine Siesta zu gönnen, fahren wir zum Stall, um endlich unsere Pferde zu sehen. Auf dem Weg dorthin begegnen wir Abdel's Baum (kleiner Scherz zwischen uns ... für Dich Abdel) *smile*
Ich möchte maximal 4 Pferde aus diesem Lot kaufen. Damit ich mich entscheiden kann, muss ich sie erst einmal etwas kennen lernen.

Das erste Pferd, welches wir auf den Platz nehmen, ist die 6-jährige Araber-Berber Stute Flifla (was *kleiner Peperoni* oder *zappeliges kleines Mädchen* bedeutet). Und genauso ist Flifla auch. In der Box ist sie sehr ängstlich und Vanessa braucht eine Weile, bis sie ihr das Halfter anziehen kann. Draussen dann hat Flifla vor allem das Bedürfnis, sich zu bewegen und zu wälzen ...

Da die Umzäunung des Paddocks wenig vertrauenswürdig aussieht und vor ein paar Tagen bereits ein Pferd ausgebüxt ist, können wir die Pferde nicht frei laufen lassen. Deshalb die Longe ...

FLIFLA - Araber-Berber - Stute - 6-jährig - mit OMCB-Papieren
Flifla hat mich sofort berührt ... sie ist sanft, aufmerksam, liebenswert und hat eine Menge Energie. Allerdings wurde sie wohl nicht immer gut behandelt und ist anfangs ziemlich ängstlich uns gegenüber. Vanessa mit ihrer ruhigen, feinen Art hat sofort einen guten Draht zu Flifla gefunden. Flifla gefällt mir gut vom Gebäude her, hat wundervolle Gänge, ist eher drahtig gebaut mit schöner Oberlinie und sehr elegant.

Das nächste Pferd ist das komplette Gegenteil von Flifla. Es ist die 6-jährige Araber-Berber Stute Fynda. Ein Bild von einem Pferd ... kräftig, kompakt, mit harmonischem Gebäude ... und stinkfrech *grins*. Als ich die Boxentür öffne, dreht sie mir schon mal den Hintern entgegen. Als Jana sie aufhalftern will, dreht ihr Fynda ebenfalls den Hintern entgegen und droht. Aber als Jana ihr mit dem Seil einen Klapps aufs Hinterteil verpasst, wird Fynda ganz schnell zum liebenswertesten Pferd *smile* ...

FYNDA - Araber-Berber - Stute - 6-jährig - mit OMCB-Papieren
Fynda ist ein Pferd nach meinem Geschmack ... sie ist intelligent, hat Temperament, fordert mich heraus und fragt nach. Fynda braucht einen Menschen, der weiss, was er will, dann ist sie das perfekte Pferd. Sie erinnert mich sehr an meine Zuchtstute Kaoutar. Jana hat sich auf jeden Fall schon schnell in Fynda verliebt. Bestimmt wird Fynda ein mutiger, mitdenkender und cooler Partner für ihren späteren Besitzer. Mal abgesehen von ihrem genialen Charakter ist sie auch noch bildschön, hat eine tolle Fellfarbe und geniale Gänge ...

Die dritte und letzte Stute, welche wir heute Nachmittag auf den Platz nehmen, ist eine bildhübsche dunkelbraune Stute mit vielen weissen Abzeichen. Sie hat noch keinen Namen, als wir sie treffen und wir möchten sie zuerst kennenlernen, bevor wir ihr einen passenden Namen geben.

HAMIDA d'Al Bassatine - Araber-Berber - Stute - 6-jährig - ohne OMCB-Papiere

Diese Stute berührt mein Herz in dem Moment, wo ich ihr zum ersten Mal in die Augen schaue ... in diesem traurigen, unverständigen und müden Blick liegt ihr ganzes bisheriges Leben. Dieser Blick erzählt mir, dass sie hart arbeiten musste und wenig dafür bekommen hat. Ich bitte Abdel, einen passenden Namen für sie zu finden und er wählt den Namen Hamida. Hamida bedeutet *danke Gott, dass Du mich gerettet hast* ... in diesem Namen liegt ihre ganze Vergangenheit, aber auch die Hoffnung auf eine glückliche, schöne Zukunft bei Menschen, die sie lieben und achten.

Hamida hat einen äusserst sanften und lieben Charakter. Sie ist zutraulich und hat wohl das Vertrauen zum Menschen noch nicht verloren. Wir nehmen sie auf den Platz und Jana und ich versuchen, ein bisschen mit Hamida zu arbeiten. Sie macht zwar mit, aber ihr einziges Interesse liegt beim Gras unter ihren Füssen. Hamida ist mager und hat richtig viel Hunger. Also hören wir schnell wieder mit der Arbeit auf und lassen sie nach Herzenslust grasen. Sofort verändert sich ihr Blick ... sie schaut aufgeweckt und sucht sich die besten Gräser raus. In ein paar Wochen und mit der guten Pflege von Abdel während der Quarantäne wird sie zunehmen und bestimmt wieder mehr Freude an der Arbeit bekommen.

Es wird schon bald dunkel und für heute haben wir genug mit den Pferden gearbeitet. Abdel bringt uns zum Hotel zurück und wir essen noch einen kleinen Snack in der Nähe. Dann fallen wir müde und zufrieden in unsere Betten.

Montag, 16. März 2020
Heute Vormittag wollen wir uns eine 12-jährige Rappstute in der Nähe von Oued Amlil ansehen, also knappe 2 Stunden von Meknès entfernt. Wir treffen und um 08h00 mit Abdel beim Hotel und gehen dann erst einmal in einem Café genüsslich frühstücken ... leckere Galetten mit Käse, süsses Honiggebäck, Minzetee und frischer Orangensaft ... genau das brauchen wir für einen guten Start in den neuen Tag.

Mittlerweile ist auch hier der Corona-Notstand ausgebrochen ... die Grenzen sind zu, viele Geschäfte und Restaurants geschlossen. Am Fernseher laufen nur noch Corona-Mitteilungen, die Abdel uns übersetzt. Da wir von unserer Fluggesellschaft keine Informationen zu unserem Rückflug am Mittwoch bekommen, machen wir mit unserem geplanten Reiseprogramm weiter und fahren zu dem kleinen Ort Béni Frassen, wo die Rappstute steht.

Die Fahrt dahin führt uns durch wunderschöne, grüne Landschaften und die Zeit vergeht wie im Flug ... Der Besitzer der Stute ist nicht vor Ort, aber seine Tochter gibt uns die Erlaubnis, das Pferd aus dem Stall zu nehmen und auszubrobieren. Die Stute ist wirklich wunderschön und in guter Verfassung. Sie hat wohl bisher nicht in der Landwirtschaft arbeiten müssen, sondern nur ein paar Fohlen geboren. Scheinbar soll sie sehr sanft und einfach sein ... allerdings steht sie wohl schon eine ganze Weile in ihrem Stall und hat nur den einen Wunsch, nämlich sich zu bewegen. Aufzäumen geht problemlos, auch als Jana sich draufsetzt bleibt sie völlig ruhig ... aber als Vanessa mit ihr losläuft merkt man gut, dass sie das Ganze lieber im Galopp machen würde *grins*. Als ich dann Jana bitte, sie ein bisschen zu traben, explodiert das Stutchen! Schade, dass wir keine Longe dabei haben und sie nicht ein wenig laufen lassen können ... es hätte ihr gut getan.

Ich mag die Stute und finde auch, dass sie ein schönes Exterieur hat und für ihr Alter unverbraucht ist. Wenn alles gut geht und der Preis stimmt, wird die Hübsche beim nächsten Lot im Herbst 2020 mit dabei sein. Ich freue mich schon auf sie!
Im gleichen Stall entdecke ich auch noch eine Halbschwester meiner Jungstute Kawrika. Gleich daneben steht eine extrem schöne, dunkelbraune 4-jährige Jungstute, die ich unbedingt auch beim nächsten Lot dabei haben möchte. Abdel wird sich um die Preisverhandlungen kümmern wenn wir weg sind und mich auf dem Laufenden halten. Ich bin gespannt!

Endlich regnet es und die Menschen hier freuen sich über ein bisschen Feuchtigkeit. Wir sind hungrig und so machen wir uns auf den Weg nach Oued Amlil, um dort etwas zu essen. Es gibt Flifla (oder Felfel), also Peperoni mit Tomaten und Knoblauch in Olivenöl gegart, dazu Fladenbrot und hinterher noch eine Tagine mit Lammfleisch und Gemüse. Ich habe selten so gut gegessen! Nach dem traditionellen Pfefferminztee machen wir uns langsam wieder auf den Heimweg. Am Nachmittag wollen wir noch mit den Pferden arbeiten, für die wie gestern keine Zeit mehr hatten.

Im Stall angekommen entscheiden wir uns dafür, zuerst nochmals Flifla und Fynda auf den Platz zu nehmen. Das Aufhalftern bei Flifla geht schon viel besser als am Vortag und Vanessa versucht mit Flifla erste Schritte der Freiheitsarbeit ... nachdem wir gestern gesehen haben, dass Flifla nicht versucht auszubrechen, können wir sie sogar frei laufen lassen.



Nachdem Fynda ihr gestern recht zugesetzt hat und sie an der Longe quer über den Platz zerrte, will Jana heute mit ihr nochmals an der Longe arbeiten ... in der Hoffnung, dass Fynda heute etwas weniger Energie hat und sich ein wenig gesitteter verhält. Und welch Wunder, Fynda hat nur noch ein paar *Aussetzer* und benimmt sich sonst richtig gut ... sie scheint Spass an der Arbeit zu haben. 

Als nächstes Pferd möchten wir Zahrate Al Bassatine rausnehmen. Zahrate ist eine elegante, 6-jährige Araber-Berber Stute ohne OMCB-Papiere mit einer schönen, dunklen Fellfarbe.

Zahrate Al Bassatine - Araber-Berber - Stute - 6-jährig - ohne OMCB-Papiere

Zahrate ist genial ... auch sie hat mit Sicherheit schon viel gearbeitet in ihrem Leben, aber sie hat sich ihr sensibles Wesen erhalten. Zahrate ist enorm aufmerksam, möchte alles richtig machen und ist noch ein bisschen schüchtern uns gegenüber. Da sie vor ein paar Tagen durch den Paddockzaun abgehauen ist, dürfen wir sie nicht freilassen. Da sie aber keine Ahnung von Longenarbeit hat, ist es am Anfang etwas schwierig, als ich sie longiere. Also lasse ich sie einfach laufen, bis sie sich beruhigt. Schon bald merkt Zahrate bei der Arbeit mit Jana, dass sie nichts von uns zu befürchten hat und macht neugierig mit. Ich bin fasziniert von dieser eleganten Stute!

So, eigentlich hätte ich ja jetzt meine 4 Stuten gefunden ... denn alle gefallen mir ausnehmend gut und ich möchte sie definitiv mit zu mir nehmen. Also werden Flifla, Fynda, Zahrate Al Bassatine und Hamida d'Al Bassatine ihr zukünftiges Leben in der Schweiz verbringen und dort hoffentlich tolle neue Besitzer finden.

Natürlich habe ich mir auch alle anderen Pferde - auch die bereits reservierten - angeschaut und die eine Falbstute (ups ... gehört Henry) hat mich von Anfang an fasziniert. Sie ist schön, kompakt und vor allem hat sie eine Ruhe in sich, die mir gefällt. Also schlägt Abdel vor, ich könne sie ja trotzdem auf den Platz nehmen zum arbeiten.

Gesagt, getan ... Und genau das hätte ich nicht tun sollen, denn jetzt will ich sie haben! Ich werde also nach meiner Rückkehr in die Schweiz mit Henry ein ernsthaftes Gespräch führen müssen.

FTIOUTA - Araber-Berber - Stute - 6-jährig - mit OMCB-Papieren



Auch Ftiouta hat wohl ein paar Tage in der Box gestanden und will nur eines ... Spass haben! Sie buckelt, steigt und hat ihre Freude am Herumtoben *grins*. Danach macht sie - obwohl sie wohl noch nie eine Longe gesehen hat - gelassen und interessiert bei der Arbeit mit Jana und mir mit. Eine tolle Stute mit einem unaussprechbaren Namen (hat sogar Abdel gesagt)!

Natürlich hat es auch noch andere Pferde hier im Quarantänestall ... wir haben nicht alle fotografiert, aber ein paar Bilder gibts trotzdem ...



Und schon ist es wieder Abend ... die Zeit bei den Pferden vergeht wie im Flug. Also verteilt Abdel noch ein paar Karotten an die Pferde und dann machen wir uns auf den Weg zurück zum Hotel. Da mittlerweile alle Restaurants und Imbissbuden wegen Corona geschlossen sind, holen wir uns im Supermarkt noch etwas Kleines fürs Nachtessen aufs Zimmer. Danach legen wir uns schlafen, denn morgen Vormittag ist der Souk von Khemisset geplant ... das heisst früh aus den Federn!

Dienstag, 17. März 2020
Nach einer erholsamen Nacht fahren wir heute Morgen früh los in Richtung Khemisset. Da es nirgendwo mehr ein offenes Café zum Frühstücken gibt, hat uns Abdel's Mama Galetten, Kuchen und Tee gemacht und Abdel mitgegeben. Sie ist so nett! Also essen wir gemütlich im Auto das leckere Frühstück und trinken den heissen Tee. Gleich gehts uns besser und wir freuen uns auf den Souk in Khemisset. Während der unterhaltsamen Fahrt bestaunen wir die schöne und abwechslungsreiche Landschaft.
Auf dem Souk ist einiges los und Abdel entdeckt einen schönen Falbhengst und diskutiert mit dem Besitzer. Währenddessen habe ich ein hübsches dunkelgraues Hengstfohlen (allerdings schon verkauft) und einen mächtigen, dunkelgrauen Fantasia-Hengst (vermutlich unbezahlbar) bemerkt. Zwei Jungstuten haben es mir ebenfalls angetan ... die eine mausgrau, die andere braungrau. Aber wie gesagt, dieses Lot ist bereits voll, und so bleibt es beim Schauen. Anschliessend essen wir eine Galette und trinken einen heissen Minzetee. Da wir noch Karotten für unsere Pferde brauchen, laufen wir über den Gemüse- und Früchtemarkt und kaufen dort welche.

Anschliessend machen wir uns auf den Rückweg, denn wir sind am Mittag bei Abdel's Mutter zum Essen eingeladen und möchten uns vorher noch etwas frisch machen. Auf dem Rückweg nehmen wir die Landstrasse und so haben Abdel und ich endlich einmal Zeit miteinander, um etwas ausgiebiger zu diskutieren ... schön!

Als wir im Hotel ankommen, um uns fürs Mittagessen bereit zu machen, erhalte ich eine SMS, dass unser Flug am Mittwoch storniert wird ... das hat uns gerade noch gefehlt. Wir versuchen bei der Fluggesellschaft irgend etwas herauszufinden, rufen ohne Antwort beim EDA an und suchen nach Möglichkeiten, den Flug umzubuchen ... alles ohne Erfolg!

Das Mittagessen bei Abdel's Mama ist ein Traum! Es gibt leckeres Hähnchen mit Pommes, Gemüse und kandierten Zitronen an einer sehr feinen Sauce. Zur Vorspeise verschiedene Salate und zum Dessert Yoghurt mit frischen Früchten. Vielen herzlichen Dank liebe Mama Abdel!

Nach dem Essen versuchen wir erneut, eine Lösung für unseren abgesagten Flug am nächsten Tag zu finden ... leider wieder ohne Erfolg. Also fahren wir ein letztes Mal zu unseren Pferden in den Stall. Der Aidi vom Nachbarn freut sich schon, dass wir ihm die Reste des Mittagessens mitbringen und lässt sich von Jana lange kraulen.

Wir sind ein bisschen zu gestresst, um ruhig mit unseren Pferden zu arbeiten und so entscheiden wir uns, die beiden magersten Pferde Hamida und die Sabino-Stute mit ihrem Fohlen zum Grasen rauszunehmen. Der Stalljunge holt Fourrage vom Feld nebenan und die beiden Stuten geniessen das frische Futter. Während die Mama genüsslich frisst, hat ihr Fohlen Spass auf der grossen Weide ...




Nachdem die Pferde versorgt sind, verabschieden wir uns von ihnen. Dann überlegen wir mit Abdel, was als nächstes zu tun ist. Wir entscheiden uns, anschliessend zum nächsten Flughafen in Fes zu fahren, um zu sehen, ob allenfalls ein Flugzeug Richtung Schweiz von dort vorgesehen ist. Etwa eine Stunde später kommen wir am Flughafen an ... leider weiss dort auch niemand, ob überhaupt und wenn ja wohin noch geflogen werden darf. Also machen wir uns wieder auf den Rückweg nach Meknès.

Mittwoch, 18. März 2020
Wir entscheiden uns, heute Nacht schon nach Marrakesch zu fahren anstatt wie geplant morgen früh. Also verabschieden wir uns schweren Herzens von Abdel, packen unsere Koffer und fahren kurz nach Mitternacht los in Richtung Marrakesch. Ich fahre nicht gerne nachts auf den marokkanischen Strassen herum ... überall sind Tiere und Menschen auf den Strassen. Ich bin heilfroh, als ich um 06h30 unfallfrei am Flughafen Menara in Marrakesch ankomme. Während der ganzen Fahrt hat Jana navigiert und sie ist genauso müde wie ich.

Am Flughafen herrscht das komplette Chaos ... Marokko hat den Flugverkehr in beinahe alle Länder komplett eingestellt. In der Halle campieren die Leute häufig schon seit mehreren Tagen. Die Schlange vor dem geschlossenen Schalter unserer Fluggesellschaft ist etwa 500 Meter lang. Alle sind gestresst, es wird geschubst, gestossen, angepöbelt ... kein schönes Bild. Vanessa und ich versuchen am Swiss-Gate unser Glück während Jana sich am Info-Schalter schlau macht. Scheinbar gibt es einen Rückführungsflug in die Schweiz, nur findet leider niemand etwas darüber heraus. Am Swiss-Gate Schalter haben wir mehr Glück. Wir können unser annuliertes Ticket bei der gleichen Fluggesellschaft umbuchen ... zur Wahl stehen England, Holland oder Frankreich. Wir haben nur wenige Sekunden Zeit, uns zu entscheiden und nehmen Frankreich. Der Flieger soll um etwa 10h00 abheben. Also bringen wir schnell unser Auto zur Vermietung zurück und stellen uns dann erwartungsvoll in die elend lange Schlange vor den Gepäckabgabeschaltern. Etwas nach 11h00 stehen wir immer noch am selben Ort, die Schalter weiterhin geschlossen. Endlich geht etwas und wieder fangen die genervten Menschen an zu schubsen und zu streiten. Irgendwann können wir dann unser Gepäck abgeben. Leider weiss niemand, an welchem Gate der Flieger steht und so warten wir wieder. Erst um etwa 12h50 erfahren die die Gate-Nummer und begeben uns rasch dorthin.

Um 13h00 steigen wir endlich ins Flugzeug Richtung Paris Charles de Gaulle. Kaum habe ich mich hingesetzt, schlafe ich auch schon erschöpft von der schlaflosen Nacht ein und wache erst wieder auf, als das Fahrwerk für die Landung ausgefahren wird. Pünktlich um 16h00 kommen wir in Frankreich an und freuen uns schon, dass wir es nun doch noch geschafft haben, nach Hause zu kommen ... schliesslich haben wir von Paris aus verschiedene Möglichkeiten weiter zu reisen ... TGV, Anschlussflug, Busse etc.

Aber in Paris geht gar nichts mehr! An den noch offenen Schaltern überall lange Warteschlangen, viele Schalter sind geschlossen, die Menschen noch gestresster als in Marrakesch ... das reinste Chaos. In Marrakesch am Flughafen haben wir ein Pärchen getroffen. Die beiden wollen ebenfalls in die Schweiz zurück und so versorgen wir uns gegenseitig mit Informationen. Jemand informiert sich bei den Fluggesellschaften über allfällig geplante Flüge, jemand geht zu den Zügen und versucht dort ein Ticket für den TGV zu bekommen, jemand informiert sich online über Flüge, Busse oder anderes ... und ich rufe mal wieder erfolglos bei den verschiedenen Anlaufstellen an und hüte unser Gepäck!

Kurz nach 16h00 haben wir mit der Suche angefangen ... und jetzt kurz nach 19h00 müssen wir uns eingestehen, dass es keine Möglichkeit gibt, vom Flughafen Charles de Gaulle wegzukommen. Die Flüge werden einer nach dem anderen abgesagt, die Busse haben ihren Betrieb eingestellt, den TGV kann man frühestens ab dem 21. März wieder versuchen zu buchen und andere Züge fahren nicht ... wir finden nicht einmal ein Taxi, welches uns vom Flughafen wegbringen könnte. Wir sind müde und genervt! Ausserdem mache ich mir grosse Sorgen um Ailen, die ab Morgen komplett alleine im Stall steht. Zum Glück erklärt sich meine Aushilfe Saskia nach einem Anruf sofort bereit, noch einen Tag länger auszuhelfen und mein Mann Urs versichert mir, dass er weiterhin hilft, die Stellung hält und meine Stallfeen unterstützt. Vielen Dank Euch beiden Mädels und natürlich auch Urs!!

Irgendwann reichts mir und wir versuchen noch unsere letzte Chance ... die Autovermietungen. Leider sind auch hier nur 2 Schalter offen und als ich mich in die Reihe stelle winken beide mit der Aussage *keine Autos mehr* ab. Also rufen wir zuhause an und fragen, ob uns jemand in Paris abholen könne. Aber keiner weiss, wie es an der Grenze aussieht und ob es ein Raus- und wieder Reinkommen gibt. Also warten wir deprimiert ab und laden unsere Handys auf. Plötzlich hört Jana wie die eine Mitarbeiterin ihrem Kollegen sagt, es hätte wieder Autos. Sixt hat wohl Autos aus seinen Pariser Filialen zum Flughafen bringen lassen ... also versuchen Jana und ich erneut unser Glück am Schalter. Und siehe da ... mit viel Überzeugungsarbeit und etwas Druck bekommen wir den wohl letzten Mietwagen am Pariser Flughafen. Allerdings muss ich das Fahrzeug innert 24 Stunden in Annecy zurückgeben (also nochmals nach Frankreich). Aber im Moment ist mir das sowas von egal. Wir haben ein Auto und können nach Hause fahren!!!

Total euphorisch gehen wir nach draussen zur Abholstelle ... bis wir unseren Mietwagen sehen; neu, schön und super klein! Keine Ahnung, wie wir 5 Personen (davon einer mit 1.90 m) mit 5 Koffern und 5 Handgepäcken in dieses kleine Fahrzeug kriegen sollen. Aber wir sind entschlossen, es auf jeden Fall zu schaffen, denn es ist unsere einzige Möglichkeit, von hier wegzukommen. 30 Minuten später (während welchen die Franzosen unseretwegen auf dem Parkplatz einen Lachanfall nach dem nächsten haben und Wetten abschliessen, ob wir alles in das kleine Auto kriegen) sind 4 Koffer im Kofferraum verstaut, alle Menschen im Auto, der letzte Koffer auf Vanessa's Knien, die Hutablage auf den Köpfen der Passagiere hinten und das Handgepäck irgendwo. Ich sitze quasi auf dem Steuerrad und mein Navigator Jana beinahe in der Windschutzscheibe.

Um etwa 20h30 sind wir bereit zum losfahren. Also nichts wie los in Richtung Schweiz ... das am Pariser Flughafen aufgebaute Adrenalin in meinem Körper hilft mir beim Fahren wach zu bleiben. Gleich nach dem ersten Gare de Péage werden wir von der französischen Polizei angehalten und nach unserer Fahrerlaubnis gefragt. Keine Ahnung, was die wollen?! Scheinbar darf in Frankreich nur noch auf die Strasse, wer eine Fahrgenehmigung hat. Da wir allerdings Schweizer sind, dürfen wir weiterfahren. Uff! Mit Hilfe von Janas Navigationskünsten kommen wir um 03h00 am Schweizer Zoll an. Auch hier werden wir angehalten und nach unseren Papieren gefragt. Der Zöllner will uns zuerst mit dem französischen Auto und komplett überladen nicht in die Schweiz lassen ... als ich ihm unsere Heimreise-Odyssee erzähle, lässt er uns jedoch rasch durch. Nach knapp zwei weiteren Stunden laden wir unsere beiden extrem dankbaren Mitfahrer am Berner Bahnhof aus und fahren nach Hause. Dort fallen wir drei um 05h30 todmüde ins Bett.

Am nächsten Tag erwache ich erst gegen Mittag aus meinem komatösen Schlaf ... Auch Jana und Vanessa schlafen noch. Irgendwann Anfang Nachmittag kommt unsere Freundin und Pensionärin Muriel auf den Hof und erklärt sich bereit, mich mit meinem Auto nach Annecy zu begleiten. Also fahren wir zusammen los, ich gebe mein Auto ab und sie fährt mich wieder zurück nach Hause. Vielen Dank auch Dir, liebe Muriel (nicht jeder hätte das zu Corona-Zeiten gemacht mit einer Person, die einen ganzen Tag an zwei überfüllten Flughäfen verbracht hat) ...

So, das war unsere Reise nach Marokko, um unsere Pferde auszusuchen ... hätten wir geahnt, dass Marokko so schnell zu macht wären wir wohl nicht geflogen. Aber es hat trotzdem viel Spass gemacht. Ich habe mich gefreut, Zeit mit Abdel und den Mädchen zu verbringen ... wir haben viel gelacht, Jana und Vanessa haben Marokko kennengelernt und die paar Tage Auszeit von der Stallarbeit haben uns gut getan.

Dir, lieber Abdel, möchte ich ganz herzlich für Deine Gastfreundschaft danken! Es hat mich sehr gefreut, Dich wieder einmal zu treffen und Zeit mit Dir zu verbringen. Danke auch, dass Du Jana und Vanessa einen so tollen Einblick in Deine wunderschöne Heimat gegeben hast. Bis sehr bald bei uns ...

Jetzt freuen wir uns auf die hoffentlich baldige Ankunft unserer 5 Pferde ... jaja, ich konnte Henry davon überzeugen, dass er mir auch die Falbstute Ftiouta überlässt!

Ich hoffe, ich konnte Euch einen kleinen Eindruck über unsere Arbeit mit und für die marokkanischen Pferde vermitteln. Wenn die hübschen Stuten hier eintreffen, dürft Ihr sie gerne auf unserem Hof besuchen kommen!

Tschüss und bis bald ...     Daniela

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